Volkers 5 Minuten - Zeit für die Freiheit: Ein Wochenbericht aus Berlin
KW 3, 16.01. - 20.01.2023
Nach vier Wochen Plenumspause haben wir uns zur ersten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages im neuen Jahr zusammengefunden.
Die Woche ging am Montag wie immer los mit der Terminlagebesprechung, der AG „Finanzen“ und der AG „Digitales“. Eine kleine Änderung gab es dann aber doch, denn es wurde eine Fraktionsklausur anberaumt, in der hauptsächlich durch Johannes Vogel berichtet wurde, was uns in diesem Jahr erwartet und wie wir uns aufstellen vor dem Hintergrund der vielen Wahlen. Es wird ja nicht nur in Bremen gewählt, sondern auch in Berlin, Hessen und Bayern. Das war eine lange Debatte, die mit einer noch längeren Debatte zur Wahlrechtsreform endete.
Das selbe Thema war am nächsten Tag (Dienstag) wieder Gegenstand der Gespräche während der Fraktionssitzung, da das Ganze aktuell wieder hochkocht. Die Medien hatten darüber berichtet, die SPD hatte bereits eine Abstimmung darüber und die Grünen wollen nächste Woche ein Stimmungsbild veranlassen, ebenso wie wir.
Für eine Wahlrechtsreform spricht vieles, da der Bundestag sehr groß ist und in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich gewachsen ist: Von 598 Abgeordneten vor der „Wende“ auf 736 Abgeordnete in der aktuellen Wahlperiode. Das liegt u.a. daran, dass die „Linke“ mit ihren drei Direktmandaten in den Bundestag eingezogen ist, was 28 neue Abgeordnetenstellen mit sich gezogen hat. Und das, obwohl sie unter fünf Prozent hatten; vielleicht sollten wir in dem Zusammenhang einmal über die Fünf-Prozent-Hürde sprechen.
Das neue Wahlrecht, das maßgeblich von Konstantin Kuhle in Kooperation mit der SPD und den Grünen entwickelt wurde, hat auch Mängel. Es kann passieren, dass ein Wahlkreis keinen Vertreter in Berlin mehr hat. Für Bremen würde es bedeuten, dass – je nach Berechnung – entweder ich oder Sarah Ryglewski ausscheiden würde, da ja bereits Uwe Schmidt ein Mandat hat und sie im Verhältnis zu wenig Stimmen hätte, um einen weitere Abgeordnetenplatz zu bekommen. Alles sehr dubios und Bremen hätte dadurch einen Nachteil, da ein Abgeordneter weniger im Parlament säße. Insgesamt müssten aber alle Parteien auf Mandate verzichten.
Eine andere Reformvariante, die in Kraft treten soll zur nächsten Bundestagswahl, sieht eine Reduzierung der Wahlkreise um 20 vor (die FDP hatte 40 gefordert). Hier kann es aber passieren, dass ein Kandidat über 50 Prozent der Stimmen erhält, trotzdem aber nicht in den Bundestag einzieht.
Darüber wird auf jeden Fall noch viel debattiert werden, bevor es zur Abstimmung kommt. Wir möchten zudem, dass die Union mit zustimmt, denn wir wollen verhindern, dass, wenn sie wieder an die Regierung kommen sollte, ein neues Wahlgesetz auf den Weg gebracht wird. Die CDU und auch die CSU werden nämlich massiv unter eine Reform leiden, denn gerade die CSU produziert sehr viele Ausgleichs- und Überhangmandate. Und natürlich haben wir heute mehr Parteien als noch in den 1970er Jahren, was automatisch zu mehr Ausgleichs- und Überhangmandaten führt. Ob das Parlament aber zu groß ist, möchte ich nicht beurteilen. Ich habe einmal eine simple Rechnung aufgestellt, indem ich die Einwohnerzahl eines Staates genommen und diese durch die Anzahl der Abgeordneten geteilt habe; so gerechnet kommt Deutschland auf einen der hinteren Plätze in der EU, nur Frankreich war noch schlechter. Ein Abgeordneter käme so auf 130.000 Einwohner. Wir sind gemessen an der Bevölkerungszahl das größte Land in Europa, deswegen ist unser Parlament auch größer als in den anderen Ländern. Und unser Parlament mit dem chinesischen Volkskongress (1.000 Mitglieder) zu vergleichen, wie die Medien das gerne tun, halte ich für nicht sinnvoll. Dieses Parlament tagt einmal im Jahr und entscheidet in dem Sinne nichts, sondern nickt lediglich die Entscheidungen des Großen Vorsitzenden ab. Das ist schon eine ganz andere Form der „Demokratie“, daher hinkt solch ein Vergleich sehr.
Ich möchte zu diesem Thema hinzufügen, dass der einzelne Abgeordnete natürlich bei einer Ausdünnung des Parlaments mehr Arbeit leisten muss. Ich selbst bin mit der Auslastung an Ausschüssen bereits an der Grenze und ich denke nicht, dass es bei anderen Abgeordneten, die mehr als zwei Ausschüsse haben, anders ist. Das bedeutet aber auch, das die Anzahl an Referenten pro Abgeordnetem steigt; von der Kostenbilanz wäre es daher wohl kein Unterschied zum bisherigen Modell. Aktuell kostet der ganze Apparat Bundestag 1 Milliarde Euro im Jahr; das klingt viel, ist es aber meiner Ansicht nach nicht, wenn der gesamte Bundeshaushalt - wie im letzten Jahr - 500 Milliarden Euro beträgt. Es wird definitiv noch viel darüber diskutiert werden, ich höre mir alle Argumente an und werde dann nach meinem Gewissen abstimmen, denn ich glaube nicht, dass es bei dieser Abstimmung einen Fraktionszwang geben wird.
Über einige inhaltliche Dinge, die nicht so gut gelaufen sind, möchte ich noch berichten: Beim Thema Chatkontrolle wirbt Innenministerin Faeser momentan bei der EU dafür, dass Deutschland diese befürwortet, was faktisch aber nicht stimmt und im Koalitionsvertrag ausgeschlossen wurde. Chatkontrolle ist die Umgehung von bestimmten Verschlüsselungen, die dazu führt, dass alle Nutzer von Messengerdiensten abgehört werden. Bereits im Vorfeld, also während des Eintippens oder des Hinzufügens von Bildern, läuft bereits der Algorithmus und dies kann wiederum dazu führen, dass schon in diesem Stadium mitgelesen wird. Das klingt schon ein bisschen nach „1984“, also nach Überwachungsstaat und wäre ein absoluter Dammbruch. Ich weiß nicht, was die Befürworter da reitet, aber mit Chatkontrolle wären wir nicht besser als andere, angeblich „demokratische“ Staaten, die ihre Bürger ausspionieren. Ich finde das überhaupt nicht gut und in der Koalition wurde das auch anders besprochen. Es wird also noch massiven Streit darüber geben, zumal Frau Faeser hier einfach ohne Rücksprache mit uns vorgeprescht ist. Noch im Dezember hat sie gesagt, das Thema sei vom Tisch und nun versucht sie, uns das Thema über die EU überzubügeln. Das ist ein bisschen so wie die Vorratsdatenspeicherung und ich habe den Eindruck, dass die SPD schärfer agiert als jeder CSUler, wenn sie das Innenressort inne hat.
Erwähnenswert finde ich noch den am Donnerstag stattgefundenen „Gründerdialog“ mit Marco Buschmann. Es waren eine Menge Berliner Startups geladen und wir haben versucht ihnen zu vermitteln, dass das OZG – was ja die Verwaltungsdienstleistungen digitalisiert – auch eine Chance für IT-Startups ist. Wir wollen nämlich darauf hinarbeiten, dass dieses Gesetz am Ende eine Plattform liefert, auf der standardmäßig Applikationen entwickelt werden können, um die Bürger und Unternehmen besser mit der Verwaltung zu vernetzen. Es gibt auch noch viele andere Dinge, die man darauf aufbauen kann, natürlich open-source-basiert und komplett transparent. Das kann eine 10-Mann-Bude dazu bringen, eine sehr hilfreiche Hidden-Champion-App zu programmieren und wäre ein Booster nicht nur hinsichtlich der Verwaltungs-, sondern auch hnsichtlich der Wirtschaftsdigitalisierung. Beide Gruppen könnten hier voneinander lernen und profitieren. Ich habe auf der Veranstaltung zudem über die Entstehungsgeschichte meines Unternehmens berichtet. Es war ein gutes Networking und man hat viele neue Menschen kennengelernt, die uns jetzt Onepager zukommen lassen, weil sie spezifische Ideen bezüglich des OZG aber auch bezüglich „Finanzen“ haben. Wir übernehmen das gerne, wenn es zu dem passt, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist.
In der ganzen Woche gab es parallel zu den anderen Terminen eine große Zahl an Berichterstattergesprächen zum OZG, aber auch zur Registermodernisierung. Dort besteht ein verfassungsrechtliches Problem, wenn wir das noch von der Großen Koalition im März 2021 beschlossene Gesetz umsetzen. Wir arbeiten deswegen an einer Durchführungsverordnung oder an einer „Umgehung“, ohne das Gesetz noch einmal anfassen zu müssen - das dauert immer neun Monate, aber diese Zeit haben wir nicht. Die Grünen haben wir in dieser Hinsicht bereits auf unserer Seite, ich denke, die SPD wird da auch mitmachen. Wobei es schon Widerstand aus dem Innenministerium gibt, die die Steuer-ID super finden. Eine Steuer-ID ist problematisch, da sie zu erraten ist. Es gibt einen Algorithmus, wonach sie aufgebaut ist und deshalb könnte man zum Beispiel die ID von Bekannten erraten. Damit ließe sich digital eine Menge anstellen, wenn nicht noch der Personalausweis zur zusätzlichen Absicherung herangezogen wird. Wir wollen deshalb eine andere Lösung und denken dabei an ein Stammzahlenmodell. Dabei werden die Prozesse innerhalb der verschiedenen Bereichen, in denen die Register geführt werden, mit einer Stammzahl versehen, die nur für einen Prozess gelten und dann über eine Bundesverwaltung (fungiert als Intermediär) die Finanzamtsdaten abgefragt werden können. Wir verwenden die Steuer-ID, aber nur verschlüsselt und in Kombination mit dieser Stammzahl. So kann nicht erraten werden, wer hinter der ID steckt und auch die einzelnen Bereiche, die die verschiedene Register verwenden, können nicht direkt auf die anderen Daten zugreifen. So bleibt der Datenschutz gewahrt und trotzdem erlauben wir, dass Daten über den Bereich hinaus abgefragt werden für den einzelnen Fall. Damit hätten wir ein sehr kontrolliertes System, es wird Protokoll geführt, die Bürger erhalten ein Cockpit und können sehen, wer auf ihre Daten zugegriffen hat. Ich glaube, das bekommen wir gut noch dieses Jahr hin. Wir müssen ja damit in diesem Jahr fertig werden, damit wir mit der E-ID zusammen das OZG 2.0 umsetzen können.
Das Wochenende habe ich dieses Mal komplett in Bremen verbracht, da ich erst am Montagnachmittag Termine in Berlin hatte. Ich wünsche allen einen schöne Woche!